Vor dem Betreten des Einfamilienhauses von Familie Bleich in Leingarten, empfangen die im Eingangsbereich verteilten, mit „Glück“, „Freude“, „Mut“, „Liebe,“ „Vertrauen“ beschrifteten Glückssteine die Gäste sowie die Bewohner. Kaum wird die mit „Herzlich willkommen“ bunt bemalte Glastüre geöffnet, kommen neugierig die drei Hunde der Bleichs, um sich ihre Streicheleinheiten abzuholen. Denn die zählen auch – neben zwei Katzen, die sich eher im Hintergrund halten- zu den Bewohnern des Hauses, indem man sich – trotz der Handwerker, die aktuell den Wohnraum um einen großen Wohnzimmerbereich erweitern – sofort wohl fühlt. Das mag zum einen an der heimeligen Atmosphäre liegen, an den leisen Klängen der Entspannungsmusik im Hintergrund, und zum anderen, überwiegenden Teil, an der positiven Ausstrahlung von Sandra Bleich, die trotz ihren Herausforderungen einen ausgesprochen entspannten Eindruck macht. Und das, obwohl sie den Alltag mit fünf Haustieren, vier eigenen Kindern sowie einem behinderten Pflegekind vorwiegend alleine stemmt, da ihr Mann – der am liebsten noch fünf weitere Kinder hätte, wie sie lachend erwähnt – beruflich stark eingebunden ist.

„Momentan läuft alles recht entspannt“, erzählt die 37-Jährige, die momentan aufgrund einer Knieverletzung im Haushalt Unterstützung durch eine Haushaltshilfe bekommt. Dass es nicht immer ohne fremde Hilfe geht, weiß Sandra Bleich schon seit langem. Denn seit mehreren Jahren – seit der Geburt der neunjährigen Zwillinge Leoni und Luna – ist Familie Bleich auf fremde Hilfe angewiesen. „Ich war zum dritten Mal schwanger – dieses Mal mit Zwillingen- und habe in der 32. Schwangerschaftswoche zwei gesunde Mädchen geboren. Bei der Erstuntersuchung war alles völlig normal, bis wir eines Tages bei Leoni eine bläuliche Verfärbung im Gesicht und Schulterbereich bemerkten. „Alles normal“ wurde uns gesagt. Eine Hautveränderung wäre bei Frühchen nichts Ungewöhnliches. Als wir nach 4 Wochen entlassen wurden, bekamen wir bei der Abschlussuntersuchung die niederschmetternde Dia- gnose, dass sich die Gehirnzellen zersetzt hätten und Leoni mehrfach schwerstbehindert sei! Wir haben danach zahlreiche Untersuchungen in unterschiedlichen Kliniken vornehmen lassen. Das Ergebnis war schockierend: Leonies Behinderung geht auf einen Sturz zurück, der in den ersten Tagen im Krankenhaus stattgefunden haben musste und verschwiegen wurde“, erzählt die Mutter, die vier Wochen nach der Entlassung bei einer MRT-Untersuchung in Würzburg auf die Einblutungen im Gehirn hingewiesen wurde, die eindeutig am 5. Tag nach der Geburt stattgefunden haben mussten. „Daraufhin haben wir einen Anwalt für Geburtsschadensrecht in Bonn aufgesucht und dabei erfahren, dass wir in der Beweispflicht sind. Es gibt zwar ein Gutachten, das besagt, dass die Gehirnzersetzung durch ein traumatisches Ereignis entstanden ist, wir aber nicht nachweisen können, wer dafür verantwortlich ist. Nachdem offensichtlich keinerlei Akten mehr vorhanden waren, mussten wir uns mit der Situation abfinden“, so Sandra Bleich, die noch erwähnt, dass eine Gabe von Kortison direkt nach dem Sturz die Zellzersetzung verhindert hätte.

„Wir haben uns mittlerweile mit der Situation arrangiert und sind froh, dass wir Lolo- wie wir unsere Leoni nennen – immer noch bei uns haben, obwohl ursprünglich eine Lebenserwartung von nur einem Jahr von den behandelnden Ärzten prognostiziert wurde. Unterstützt werden wir bei der Pflege vom Neckargmünder Pflegedienst Ambulinchen, der täglich ins Haus kommt und die Pflege von Lolo übernimmt“, erzählt die fünffache Mutter. Dass es wechselnde Kinderkrankenschwestern sind, die 300 Stunden pro Monat in die Familie kommen, stört die bemerkenswerte junge Frau nicht. „Auch wenn es am Anfang schwer war, dass immer jemand zuhause ist, bin ich jetzt absolut glücklich darüber. Das erspart uns unangenehme Krankenhausaufenthalte. An machen Tagen weiß ich nicht mal, wer heute kommt, da ich nicht auf den Dienstplan schaue aber ich bin da sehr offen und auch super zufrieden mit allen. Jeder hat seinen bestimmten Schwerpunkt und seine Vorlieben – davon profitiert unsere Lolo!“ n dem heutigen Tag ist Elfi für die Pflege von Leonie zuständig. Sie hat der Neunjährigen gerade die Flasche gegeben und massiert ihr bei leisen Klängen sanft die Hände. „Bevor ich ihr die Handorthesen anziehe, die sie aufgrund der Spastik eine Stunde am Tag tragen sollte, massiere ich Lolos Hände, was ihr sehr gefällt und sie entspannt“, erklärt die Kinderkrankenschwester, die mehrmals im Monat zu Familie Bleich kommt und Leonie auch bei ihrem täglichen Schulbesuch begleitet.

Trotz der intensiven Betreuung und Pflege, die erforderlich ist, scheut sich Familie Bleich nicht, mit Kind und Kegel entspannte Urlaubstage einzulegen. „Da findet sich immer jemand bei uns im Pflegedienst, der Familie Bleich begleitet“, so die Geschäftsführerin Angela Fehlow, die gemeinsam mit Daniela Eitelbuß den ambulanten Kinderkrankenpflegedienst Ambulinchen im Rhein Neckar-Raum betreibt und ca. 60 MitarbeiterInnen beschäftigt. „Wir sind wirklich dankbar, dass das bei uns alles so reibungslos läuft, daher haben wir den Verein „Lolo´s friends – Hilfe für besondere Kinder“ gegründet. Wir hatten anfangs sehr viel Unterstützung durch meine Großeltern, die leider mittlerweile verstorben sind, und wollen das ein Stück weit zurückgeben und uns für Menschen einsetzen, die in einer ähnlicher Situation sind wie wir am Anfang, und nicht wissen an wen sie sich wenden können“, so die engagierte Mutter, die sich mehr Unbefangenheit im Umgang mit behinderten Menschen wünscht. „Neulich kam ich beim Spazieren gehen mit meinen Kindern ins Ge-spräch mit anderen Kindern, die völlig unbefangen wissen wollten, was denn unsere Lolo hätte. Erstmal trauten sie sich nicht. Doch dann kam die erste Frage: Warum ist das Mädchen krank? Was ist ihr passiert? Kann sie laufen? Kann sie sprechen? Kann sie essen? Wir beantworteten all die offenen Fragen. Die Kinder gingen mit einer Selbstverständlichkeit damit um. Sie fanden für alles eine Lösung. Sie kann nicht laufen, dann wird sie getragen: Das ist auch schön. Und sie muss gar kein Kinderzimmer aufräumen. Nicht sprechen? Ah, voll schön: Sie kann aber lachen. Wie, nicht alles essen? Gehen Süßigkeiten und Kaiserschmarren? Ja, das kann sie!!!!!Und es folgte ein erleichterndes Seufzen…zum Glück!!!! Es war eine wundervolle Situation und Erfahrung. Doch auf einmal wurde es ganz still. Das kleinste der Mädels schaute uns mit großen Augen an und fragte? Wie schreibt sie denn ihren Wunschzettel an das Christkind? Ich war von Herzen gerührt und es bewegte mich ungemein, wo die Sorgen unserer Kinder liegen. In welcher fantastischen Welt sie noch leben und wie traumhaft sie mit den Dingen umgehen. Dieses Gefühl von Leichtigkeit und doch natürlich von Sorge für das Kind. Es hat mir viel bedeutet, diese Kinder zu treffen, mich sehr gefreut, dass sie so offen gefragt haben. Das größere Mädchen hatte gleich eine Antwort und es war so wunderschön: Weißt du, das Christkind kann doch fliegen. Und zu allen Kindern, die nicht schreiben können, kommt es nachts in deren Träume und kann dann die Gedanken lesen. Kinder sind ein Wunder und das Schönste auf dieser Welt. Diese Kinder haben diesen Tag zu etwas ganz Besonderem gemacht. Danke!“