Foto: Würth

Neugierig betreten die Schüler und Schülerinnen der Andreas-Fröhlich-Schule aus Krautheim gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen der benachbarten Schule den Eingangsbereich der Kunsthalle Würth in Schwäbisch Hall. Die Schülerinnen und Schüler der beiden des sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren sind schon ganz gespannt, was wohl an diesem Vormittag so kurz vor Weihnachten auf sie zukommen mag. Während ein Teil von ihnen bereits hier war und zielsicher in Richtung Garderobe läuft, schauen sich die anderen interessiert um bis sie schließlich allesamt von Ilka Nowicki herzlich begrüßt werden. Die freischaffende Künstlerin aus Schwäbisch Hall wird an diesem Morgen gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen im Alter zwischen 12 und 16 Jahren die aktuelle Ausstellung „Lust auf mehr. Neues aus der Sammlung Würth zur Kunst nach 1960“ besuchen und einzelne Werke genauer betrachten, um dann im Anschluss mit ihnen ins Kunstatelier zu gehen. 

Bevor die Führung beginnt, fordert sie die Gäste an der gläsernen Außenfassade auf, ihren Blick nach draußen auf die historische Altstadt Schwäbisch Halls zu richten. „Was seht ihr denn hier? Wie alt sind die Häuser wohl?“ „Sehr alt“, sind sich die Kin-der einig. „Und die Kunsthalle?“. Jetzt breitet sich allgemeine Verunsicherung aus. Handelt es sich um ein neues oder um ein altes Museum? Sie erfahren, dass die Kunsthalle 2001 errichtet wurde und daher bei weitem nicht so alt ist wie die umliegenden Häuser. Die Frage, was dieses Gebäude mit dem malerischen Ausblick auf Schwäbisch Hall beherbergt, können sie mühelos beantworten. “Skulpturen“, weiß Leon (Name geändert – Anmerkung der Redaktion), „Bilder“, ergänzt Sarah. Und dass es, wie zuhause, Regeln gibt, verstehen die Kinder sofort. Oberste Regel in der Kunsthalle lautet: „Nicht schreien und nichts anfassen!“, erklärt Nowicki, die seit über zehn Jahren regelmäßig für die Kinderveranstaltungen in der Kunsthalle Würth gebucht wird und nun mit ihren Schützlingen die Ausstellung betritt.

Erstes Kunstwerk sind drei unterschiedlich eingefärbte, gestreifte Spiegel des französischen Künstlers Daniel Buren, die sich gegenüberstehen. Nowicki fordert die Kinder auf, es sich auf dem Boden zwischen den drei Spiegeln gemütlich zu machen und die Kunstwerke aufmerksam zu betrachten. „Was fällt euch auf?“, fragt sie wieder in die Runde. „Beim grünen Spiegel sehen wir uns besser“, stellt Lisa überrascht fest. „Was fällt euch noch auf? Erkennt ihr, dass wir, indem wir uns zwischen die Spiegel gesetzt haben, ein Teil des Kunstwerks sind?“ Staunend nicken die Jugendlichen jetzt. 

Weiter geht es zu einem abstrakten Gemälde des amerikanischen Künstlers Peter Halley, das durch seine kräftigen Farben und geometrischen Formen sofort ins Auge fällt. „Betrachtet das Kunstwerk von der Nähe und sagt, was ihr erkennen könnt“, fordert Ilka Nowicki nun auf. „Die Oberfläche ist so grob und rubbelig wie unsere Hauswand“, ruft Anna spontan, die ergänzt, dass das Gemälde durch seine Neonfarben sehr auffallend ist. Auf die Frage, was das Kunstwerk wohl darstellen soll, weiß Philipp sofort eine Antwort: „Das ist ein Haus mit seinen Versorgungsleitungen!“ „Du scheinst dich ja auszukennen, Philipp“, entgegnet die Künstlerin, die ergänzt, dass Halley tatsächlich mit seinen Bildern einen kritischen Blick auf die Strukturen, die den Alltag bestimmen, wirft. 

Der nächste Künstler ist ebenfalls Amerikaner: Frank Stella. Sein Kunstwerk ist allerdings komplett anders als das vorangegangene. Jetzt soll jedes Kind beim Betrachten des Kunstwerks spontan einen Begriff nennen. „Kreis“, „bunt“, „abstrakte Kunst“, „Buchstaben“, „Zahlen“, rufen die Schülerinnen und Schüler im Wechsel. „Und worin unterscheidet sich dieses Kunstwerk von dem vorherigen?“, will Nowicki, die die Kinder Wickie nennen dürfen, wissen. „Es wächst in den Raum“. „Es besteht aus unterschiedlichen Farben und Formen“. „Und wem gefällt das?“. Sofort schnellen alle Finger begeistert nach oben. 

Jetzt geht es  ein Stockwerk tiefer zu den „7 Figuren mit Haus“ von Stephan Balkenhol. Sofort zaubert die sympathische Künstlerin kleine Gegenstände aus unterschiedlichem Material aus ihrem Rucksack, verteilt diese und fordert die Schülerinnen und Schüler auf, zu erspüren, um was es sich handelt. Mühelos können die Kinder den Stein vom Metall und Holz unterscheiden. „Auch die Figuren sind aus Holz“, weiß Sarah. 

„Jetzt sucht euch eine Figur aus, betrachtet diese ganz genau und versucht sie nachzustellen!“. Konzentriert prägen sich die Jugendlichen die Figur ihrer Wahl ein, um danach exakt die Position ihres Vorbildes einzunehmen. 

Inspiriert durch die unterschiedlichen Kunstwerke freuen sich die Kunstinteressierten darauf, nun im Kunstatelier selbst künstlerisch tätig zu werden. Ilka Nowicki hat hierzu für jeden eine Vorlage aus Karton vorbereitet, die die Kinder mit Farben sowie unterschiedlichen Materialien bearbeiten dürfen. „Bei uns gibt es weder Vorgaben noch Beurteilungen wie gut oder schlecht. Jeder darf seine Kreativität ausleben!“

Nachdem sich die Kinder mit den Materialien ihrer Wahl eingedeckt haben, breitet sich eine kreative Stille aus. Es wird geschnitten, geklebt und gemalt. Während ein Teil der Schülerinnen und Schüler, inspiriert von den gestreiften Spiegeln Burens, den Karton mit verschiedenfarbigen Streifen beklebt, entstehen bei anderen kleine Kunstwerke, die an die Versorgungsleitungen Halleys erinnern. Stirnrunzelnd schaut Anna vor sich hin und scheint nicht weiter zu wissen. Schon ist die aufmerksame Ilka Nowicki zur Stelle und gibt ihr hilfreiche Tipps. Wer am Ende mit seinem Kunstwerk nicht fertig geworden ist, darf es mitsamt einer kleinen Auswahl an Materialien mit nach Hause nehmen zum Fertigstellen. Zufrieden schnappen sich die Künstler ihre Taschen und sind sich einig: Sowohl der Besuch der Ausstellung als auch das Kreativsein haben Riesenspaß gemacht! Am nächsten Tag wollen die Schülerinnen und Schüler beider Schulen gemeinsam ihre begonnenen Kunstwerke fertig gestalten.

Über die Andreas-Fröhlich-Schule:

Die Andreas-Fröhlich-Schule Krautheim ist ein Lernort für Schülerinnen und Schüler mit dem Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung. Kinder mit einem körperlichen und motorischen Förderbedarf oder auch umfassenden Beeinträchtigungen werden entsprechend ihren Fertigkeiten und Fähigkeiten individuell unterrichtet, gefördert und gesehen. Die Schule wird von der Stiftung Würth unterstützt.