Der Himmel ist unser Zelt, der Wald unser Haus

In dieses „Haus“ treten die Kinder des Waldkindergartens Waldzauber im Dahenfelder Wald jeden Morgen ein, wenn sie in ihren Kindergarten gehen. Dort erforschen und erleben sie die Besonderheiten der Natur zu jeder Jahreszeit und bei jedem Wetter. Für kalte und sehr nasse Tage stehen ein Bauwagen und ein Tipi zur Verfügung.

Hier können die Kinder aus einer kleinen Flamme ein wärmendes Feuer entfachen und sich beim gemeinsamen Vesper aufwärmen und trocknen. Außerdem wird mit Hilfe des Feuers einmal die Woche eine gemeinsame vegetarische Mahlzeit zubereitet. Künftig wird es auf Grund der verlängerten Öffnungszeiten auch noch jeweils einen Mittagssnack in Form von Nüssen, Trockenfrüchten oder Obst geben. Gespielt wird nahezu spielzeugfrei. Hersteller von Kinderspielzeug schaffen es immer ausgefeilter, Aufmerksamkeit auf ihre Produkte zu lenken.

Fatal können die Auswirkungen auf Kinder sein.

Sie erleben sich als jemanden, der nicht selbst bestimmt, was für ihn bedeutsam ist und worauf er seine Aufmerksamkeit richten will. So laufen die Kinder Gefahr, sich primär an von außen kommenden Anregungen zu orientieren und zu reaktiven Konsumenten bereitstehender Angebote zu werden, statt aktive Gestalter ihres Lebens zu sein. Den Kindern stehen jedoch Materialien wie Spaten, Töpfe, Seile, Wolle, Hängematte, eine selbstgebaute Schaukel, und natürlich auch Werkzeuge wie Hammer, Schnitzmesser und Säge, zur Verfügung. Spielsachen bietet aber auch der Wald in Hülle und Fülle. Wo ein Erwachsener einen umgefallenen Baumstamm sieht, da sehen die Kinder ein Motorrad, Piratenschiff oder einen Walfisch. Ein kleiner Stock ist ein Kochlöffel oder eine Spritze vom Arzt. Einer von Deutschlands gefragtesten Spielplatzentwicklern, Günter Beltzig, kommentiert dies ganz trocken: „ Um ehrlich zu sein: Kinder brauchen keine Spielplätze. Den brauchen die Erwachsenen. Kinder würden überall spielen, das lassen wir nur nicht zu.“ Kreativität und Fantasie verankern die Kinder hier bereits in jungen Jahren neuronal und das wird in der heutigen Arbeitswelt in hohem Maße erwartet.

In den meisten Berufen wird Querdenken und Kreativität zunehmend ein Einstellungskriterium sein.

Um auf Belastungsund Stresssituationen später gut vorbereitet zu sein, wird ein stabiles Fundament durch verantwortbare Grenzerfahrungen gelegt. Die Kinder können sich zum Beispiel beim Klettern auf Bäume das für sie passende Handicap wählen. So bestärken sie sich selbst und können auf die sonst übliche Lobhudelei von außen, der sie zu häufig ausgesetzt sind, ganz gut verzichten. Die Beteiligung an lebenspraktischen Alltagsaufgaben lässt Kinder als selbstwirksame Gestalter ihres Lebens- und Lernumfeldes echte Bestätigung erfahren. Außerdem dreht im Wald niemand die Heizung auf, wenn es kalt ist und Gehstrecken werden bei Kälte oder Müdigkeit nicht kürzer. So lernen auch schon die ganz Kleinen sich anzupassen, zusammenzurücken und mit der Gruppe eine Hülle gegen Widerstände zu bilden.

Und ganz spielerisch und nebenbei machen sie noch eine Menge an Sinneserfahrungen.

Der Wald bietet dazu viel Anregung für die kindliche Entwicklung, dabei ist er weniger reizüberflutend als die Alltagswelt. Heute haben die Kinder von zu Hause ihre Drachen mitgebracht. Sie laufen über den „unaufgeräumten“ Waldweg, klettern über umgestürzte Baumstämme, zu einer freien Wiese.

Wahrscheinlich erfahren bereits die ersten Kinderfüße, dass die Wiese nass ist – obwohl es nicht geregnet hat. Mit Freude spüren sie den herbstlichen Wind um sich herum. Zwischen den Wolken sehen sie die Sonne durchblitzen. Die Kinder suchen sich ein anderes Kind, was ihnen beim Drachenstart helfen kann, begleitet vom Krächzen der Krähen. Die Kinder sind ständig in Bewegung, angeregt durch den Wind, Drachen und gleichaltrige Spielgefährten. Kinderturnen – hier kostenlos inklusive! Geöffnet haben die nicht vorhandenen Waldtüren täglich von 9.00 bis 13.00 Uhr. Eine Verlängerung der Öffnungszeiten von 8.00- 14.00 Uhr ist beantragt und wird vermutlich zum 1.10.2017, spätestens aber zum 1.4.2018 umgesetzt.

Ergänzend wird freitagvormittags ein Waldspielkreis für kleine Kinder in Begleitung eines Erwachsenen angeboten, ab dem Moment in dem die Kleinen laufen können. Angeleitet wird dieser aus dem Kernteam von Karin Ollech, welche in Kürze ihre Waldorfpädagogik–Ausbildung abschließen wird. Anthroposophische Elemente werden in den Kindergartenalltag mit eingebracht. Alle Erzieherinnen zeichnen sich durch ein hohes Maß an wertschätzendem Umgang und Authentizität aus. Den Kindern wird auf Augenhöhe begegnet, es wird auch wenig über die Kinder geredet, sondern mit ihnen, kaum gibt es Befehle – dafür viele Ich-Botschaften und Umarmungen. Übrigens auch für die Eltern! Diese gelebte soziale Kompetenz macht den Kindergarten Waldzauber wirklich einzigartig!